Hurricane für lau – Vorbericht zum Massenspektakel

16. Juni 2015 | HerHde | Keine Kommentare | Allgemein, ø News von L'UniCo

Im Auftrag der kritischen Berichterstattung brechen sie Donnerstag zu Scheeßels Eichenring-Rennbahn im Norden Deutschlands auf.

Die Rede ist von dem allseits kritischen Reporter HerH und seiner wortkargen Fotografin Frau Merk. Sie stürzen sich für euch in die grauenhaft gefährlichen Massen von ca. 65.000 drogisierten und bargeldlosen Massenspektakelanhängern, welche sich an diesem Wochenende auf dem sogenannten Musikfestival Hurricane tummeln werden und sich 600 Toiletten teilen und 700 Dixie-Klos und 430 Duschen meiden. Dazu kommen 3.000 Personen Personal inklusive Security und Gastro. Und 700 Sklaven, im Fachjargon „Lotzzzen“ genannt.

Für die beiden wird es der zweite Besuch und für FKP Scorpio, dem Veranstalter unzähliger Festivals, seit 1997 das 19. Mal sein, dass dieses Spektakel statt finden wird.

Das Wappentier – ein wilder Eber mit roten Augen – ermahnt an die rohen Sitten und barbarischen Speisegewohnheiten der sich ansiedelnden Meute, einer kurz- und schnelllebige Kultur, welche sich des näheren Betrachtens lohnt und daher im Fokus der Reporter stehen wird.

Das zu erforschende Areal erstreckt sich hierbei über eine 1.840.400 m² riesige Nomaden-Stadt aus unzähligen Zelten, Pavillons und Wohnwagen, abgetrennten Sondersiedlungen, etlichen Einkaufsmöglichkeiten verschiedenster Art, sanitären Anlagen und ganzen vier Bühnen, die nach Farben und teilweise nach Musikgenre sortiert sind.

Was den beiden widerfahren wird, ist nicht zu sagen, zu hoffen bleibt jedoch, dass sie es gesund an Leib und Seele überleben werden.
Weiteres berichtet der HerH:

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Hurricane wird Bargeldlos

Damit preist FKP die Einführung von RFID-Chips am Festivalbändchen an, die eine brennende Frage aufwarf.

Kann ich nur noch damit bezahlen?

Ja! Es wird die einzige Möglichkeit sein, auf dem Hurricane zu bezahlen. Bargeld, EC- oder Kreditkarten werden nicht mehr akzeptiert.

Quelle: Hurricane Bargeldlos FAQs

Nun gut, RFID am Festivalbändchen. Ein passiver Chip, der vermutlich eine auf kurze Distanz durch ein Lesegerät auslesbare ID beherbergt oder Daten speichert. Als Hacker und Technikinteressent habe ich mit dem Thema schon öfter zu tun gehabt, besonders mit den Risiken in datenschutzrechtlicher Hinsicht. Mit einem Chip, über den der gesamte Zahlungsverkehr auf dem Festival abgewickelt wird, können massenhaft Daten erhoben werden und präzise Profile der einzelnen Benutzer erstellt werden, besonders kritisch, wenn man, wie in diesem Fall, vorher der Chip mit den Personalien verknüpft werden kann.
Zur Verteidigung FKPs kann ich sagen, dass weder in den nachlässig zusammengeschusterten AGB (s.u.), noch in den Datenschutzbestimmungen Hinweise auf eine Auswertung vorliegen, im Gegenteil wird angegeben, dass die Daten nur für die Zahlungsabwicklung benutzt werden.

5 VERWENDUNG DES RFID-FESTIVALBAND
5.1 Sie müssen Ihr RFID-Festivalband während des gesamten Festivals am Handgelenk.

Quelle: GESCHÄFTSBEDINGUNGEN FÜR DIE VERWENDUNG VON RFID-FESTIVALBÄNDERN ZUR BARGELDLOSEN ZAHLUNG BEIM HURRICANE FESTIVAL 2015

Dass die Analyse aka Überwachung technisch möglich ist, ist keine Überraschung, wie der Herstellerseite der Chips zu entnehmen ist. Auf dieser finden sich einige mögliche Beweggründe, auf Bargeld zu verzichten und RFID einzusetzen:

  • Zur automatischen Zugangskontrolle
    • Split in different Areas and Zones
    • Validate Access
  • Tracking/Überwachung
    • Access History
    • Crowd Statistics
    • Monitoring of the contractors
  • Idiotensicher für Mitarbeiter/Security/Lotsen/Händler
    • Easy to handle with minimal training
    • Sales staff has no access to cash
    • Reducing Secondary Market
  • Profitsteigernd
    • Less waiting – more Sales
    • Audience spends money easier
  • Und für Marketing und Analyse
    • Stock control and planning
    • Product Analysis
    • Sales Control

Quelle der Unterpunkte: YouChip GmbH

Sicherlich aus profitorientierter Sicht völlig nachvollziehbar, eine solche eierlegende Wollmilchsau einzusetzen. Doch der Kunde hat hierdurch nicht nur die angepriesenen Vorteile, wie dass für ihn alles einfacher sei, sondern auch reichlich grundsätzliche Einschränkungen.

Mein Fazit: Dass die Daten der Besucher bei jemand anderem als dem Veranstalter (in diesem Fall YouChip) liegen, ist zwar häufig, aber dennoch intransparent. Leider konnte ich selbst die Vorab-Anmeldung nicht mit meinem Presse-Ticket testen.

Sollte man sich nicht vorab Registriert haben, verliert man das Geld, wenn das Bändchen flöten geht. Außerdem ist es unzumutbar, so ein System alternativlos einzuführen, ohne den Besuchern die Möglichkeit zu geben, echtes, anonymes, klassisches Bargeld einzusetzen.
Ich fühlte mich entfernt an eine Folge von „Die Dinos“ erinnert, an die Folge 59, „Treufussland“, in der (ca ab der 9. Minute) man die richtigen Dinomark in „Muh-Mark“ tauschen soll.

„Hurricane goes lecker!“

Ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich kaufen möchte. So oder so ähnlich hat es Max Liebermann vor ungefähr 82 Jahren gesagt. Dieses Jahr wartet Hurricane mit einem Food-Line-Up auf, welches viel ausgefallener und abwechslungsreicher daherkommt, als die üblichen Festival-Futterstände mit Pommes und co.
27 verschiedene Anbieter präsentieren sich, es erinnert mich an die kulinarische Aufstellung Friedrichshains (ein Stand heißt sogar „Fhainheiten“) mitsamt des Charmes kleiner Fressbuden.
Ich hab gespart und bin gespannt darauf, vieles zu probieren. Lustigerweise habe ich das am darauf folgenden Wochenende stattfindende „Fusion Festival“ kennen gelernt, weil es für seine breite Palette vegetarischer Speisen berühmt sei. Ab Ende des Monats werde ich also berichten können (und auch tun…oder auch nicht?), ob Hurricane mit dem stumpfen Slogan tatsächlich mit Fusion konkurrieren kann. Wenn ich nicht an einem Herzinfarkt sterbe oder auf der Strecke bleibe, weil ich pleite gehe.

Amazon, dein Festival-Dealer

Amazon, das Onlinekaufhaus für unkritische Leute, faule Gurkenbesteller und Herrenschicht-Prime-Einkäufer, möchte an den Festivals auch Geld verdienen, indem sie den Leuten das Equipment verkaufen. Aber neben Equipment, Kondomen, Futter und Getränke in Glasflaschen, die man eh nicht mitnehmen darf, und anderem Gerümpel, was man auf guten Festivals noch am Montag danach schichtet und verbrennt, während man darum tanzt, sodass es keiner löscht, haben sie auch ein Angebot (primär) für die Weibchen:
Outfits und „Festival-Fashion“.
Nein, keine Hüte aus Alufolie und sonstige Kleidung aus Panzertape, sowie die dümmsten Accessoires, die man finden kann. Amazon gestaltet den perfekt gestyleten Festival-Gänger, der am besten jeden Tag des Festivals duscht, und andere Eigenschaften hat, die man aus der Werbung erlernt, als notwendig betrachtet.
Amazon bietet verschiedene Kategorien wie Düfte, Make-Up, Haarpflege & Styling, Tattoos und Nageldesign für Festivals an. Dazu gibt es noch lässige Kleidung, neue Jeans, Blusen und Flanellhemden von esprit, s.oliver und Jack & Jones an. Normcore nennt sich der Dreck.
Während ich noch verstehen kann, wenn jemand ein Fi*k-mich-Krönchen (einen Blumenkranz) und wirklich einem selbst kaputt gegangene Kleidung auf dem Festival trägt ist das hier einfach abschäulich. Amazon tötet Festival-Kultur.
Man soll wohl duftend, mit gepflegten Haaren, viel Schminke Make-Up, mit falschen Tattoos, künstlichen Haaren und Nägeln sein Smartphone auf dem Festival mitschleppen und per Photovoltaik-Akkumulator-Kombination aufladen, während man per Bluetooth externe Lautsprecher Boxen mit seiner eigenen Musik bespielt, die so laut sind, dass sie wenig mehr als das eigene Zelt mit nervenaufreibender Qualität beglücken.
Meine Damen, Herren und Eichhörnchen: Der moderne Mensch!

Und ich liebe an Festivals, dass sich endlich mal viele Menschen wie Tiere verhalten. Wir sind nämlich verdammt noch mal auch Tiere. Ohne die absurden Traditionen der Gesellschaft. Nicht nur unfreundliches oder angepasstes Verhalten und Ordnung und Vernunft.
Ich werde weiterhin scheiße aussehen, mich lustig und bequem kleiden, kein Smartphone mitnehmen. Kein Deo (ugs. Türkendusche) nehmen und nur duschen, wenn ich mehr nach bakteriellen Erzeugnissen rieche, als nach meinem eigenen Geruch und Schweiß. Vielleicht male ich mich mit Schminke individuell an, statt ein fertiges, temporäres Tattoo zu nehmen. Und kacke in eine leere Raviolidose, stelle sie mitten auf den weg und betreibe soziologische Betrachtungen.
Und den Kack da kaufe ich nicht.

Die Sauerei mit dem Zahn

Wie im Audiopart zu hören, habe ich die Bilder des schäbigen Designs hier:
zahndrüber
Hier sieht man, wie liebevoll sie es veröffentlicht haben. Auf der Webseite eines Festivals mit zigtausend Besuchern.

Es folgt, wie ich innerhalb von 45 Sekunden die entsprechende Stelle korrigiert habe. Schlampig, aber besser. Und das, ohne Photoshop oder andere proprietäre Software.
zahn2

Audio, weil Radio

Hier ist das Audiofile zum Vorbericht, welches Dienstag Abend gesendet wird, weil wir ja schließlich auch ein Radio sind. Die weitere Berichterstattung wird vermutlich viel mehr Audio und Bilder beinhalten, aber diese Themen wollte ich ausführlicher behandeln.


Hurricane für lau – Der Vorbericht (im freien OGG-Format) (Oder für die primitive Software im unfreien MPEG-3-Format)

[countdown date=2015/06/19-15:00:00]Hurricane beginnt: [timer][/countdown]
[countdown date=2015/06/21-23:30:00]Die letzten Bands enden: [timer][/countdown]

Über diesen Beitrag

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HerHde

Techniker von Gottes Gnaden. Ab und zu auch mal kritischer Journalismus. Bei L'UniCo seit Oktober 2013. Tausend Jobs, viele Berufe und reichlich Interessen.

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