Die dreiköpfige Reisegruppe „L’UniCo“ begab sich am 03. März in die sagenumwobene Stadt Bielefeld, um dort in der Seidenstickerhalle die „Band mit dem K“ live zu erleben:
“Ich hab die Fresse voll Spinat. Und du hast nichts gesagt.”
Roh. Frech. Unverfälscht. Blond. Man könnte Kraftklub vorwerfen, sie hätten es sich einfach gemacht die Band Blond als Voract zu buchen, wenn man herausfindet, dass zwei Drittel der Gruppe die Schwestern von Felix und Till Kummer (aka Brummer) sind. Aber so ganz auf diesen Family-Bonus sollte man sich dann doch nicht verlassen. Denn in Blond steckt mehr als man auf den ersten Blick denkt. Komplettiert werden Lotta und Nina von dem eigentlichen Star der Gruppe: Johann. Der ist nämlich blind und geht damit um als hätte er löffelweise die Bühnenerfahrung von Barbara Streisand und Mick Jagger zusammen gefuttert. Spätestens als der Roadie ihm hilft seinen E-Bass abzunehmen und ihm ersatzweise eine bereits glühende Kippe zwischen die Kiemen steckt ist die Meute auf seiner Seite. Mit überwiegend englischen Texten und dem eingehend bereits zitierten, bekanntesten Lied “Spinaci” auf deutsch haben sich Blond zu keinem Augenblick fehl am Platz angefühlt und das erreicht, wofür sie auf die Bühne geschickt wurden: Das Thermometer ist auf Betriebstemperatur und zeigt optimale Bedingungen für den Hauptact des Abends.
Bereits zum mindestens fünften Mal auf einer Bielefelder Bühne und gefühlt zum mindestens 781. Mal auf überhaupt irgendeiner Bühne merkt man den Jungs von der Band mit dem K an, dass sie wissen was sie tun. Wer es vielleicht schon ein oder zwei Mal zu einem Live-Auftritt geschafft hat, merkt an der ein oder anderen Stelle schon, dass ein paar Abläufe vorhersehbar werden, aber andererseits gilt natürlich auch im Musikgeschäft: Never change a winning team! Und außerdem ist Kraftklub im Vergleich zu anderen Bands mit so vielen Tour- und Festivalstops, dann doch eine Band, die – wo immer sie auch an dem jeweiligen Abend zugegen ist – wirklich ehrlich froh ist, da sein zu dürfen! Und trotz wiederkehrender Abläufe gelingt es ihnen eben auch immer wieder einzigartige und abwechslungsreiche Konzerterlebnisse zu schaffen, die noch länger (mindestens bis zum nächsten Kraftklub-Gig) im Gedächtnis bleiben. Frontmann Felix lässt es sich nicht nehmen sich bei “Unsere Fans” eben diese genauer anzuschauen und mal die Sitzplätze auf den Seitentribünen auszutesten. Das eigens erfundene “bald olympisch anerkannte” Crowdsurf-Wettrennen, das in diesem Fall Gitarristen Karl Schumann als Sieger hervorbrachte. Die Spritztour auf einem extra für die Band konzipierten Wagen, auf dem die Jungs durch das Publikum fahren und so auch mal den hinteren Rängen nett Hallo sagen können. Das Glücksrad, mit dem eine glückliche Zuschauerin, den nächsten Song oder eine Zigarettenpause heraufbeschwören kann. Oder auch der Mid-Song-Freeze, der der Mannequin-Challenge wahrhafte Konkurrenz macht. All das verwandelt einen solchen Freitagabend zu einem sehr, sehr guten Freitagabend.
Eine ganz spezielle Besonderheit, die ein Kraftklubkonzert ausmacht, liegt bereits in den Songs selber. Bei so ungefähr 85 Prozent aller Lieder schaffen die Chemnitzer es mit einem einfachen Gitarrenriff, einer simplen Hookline oder einem ganz bestimmten Drumbeat bei jedem im Raum binnen Sekunden das Gefühl zu erzeugen: Moment, DEN Song kenne ich! Die Lyric-Hardliner setzen auf die Sekunde genau mit der ersten Zeile ein, die rhythmophilen Ausdruckstänzer spiegeln mit jedem Taktschlag die Drumpatterns akkurat wieder und die Moshpit-affinen Poger kümmern sich bereits während der Strophe um symmetrisch zufriedenstellende Kreise, die sich im Chorus zu einem Schlachtfeld der Freude verwandeln, weil jeder denkt, das ist mein Lied. Und das halt bei so ziemlich jedem Track. Wenn also der Grundstein für das Live-Funktionieren der Band bereits beim Songwriting im Proberaum gelegt wird, kann man auch ruhig Mal sagen, dass Kraftklub im vergangenen Dezember zurecht die 1Live-Krone als bester Live Act mit nach Hause nehmen durften. Wir ruhen unsere Beine und Stimmbänder aus und verabschieden uns mit einem Zitat des Publikums: Nazis raus! Danke Kraftklub. Gerne wieder.
Text: Silas Quiering
Fotos: Fiona Thiele