Saunaclub Heisskalt in der Zeche Bochum

2. Juni 2018 | L'UniCo Musikredaktion | Keine Kommentare | Allgemein, L'UniCo on Tour, Musikredaktion

Donnerstag 31.05., Feiertag und schwül-warme 27°C in Bochum. Bei dem Wetter ein Clubkozert in der
Zeche!? Die HEISSKALT und VAN HOLZEN Fans im Bus vom Bahnhof zur Venue scheinen sich von der
drückenden Hitze ihre Vorfreude aber nicht nehmen zu lassen.

Ab 19:00 Uhr sammelt sich das überwiegend junge Publikum im Konzertsaal der Zeche und am Merchstand, um sich obligatorisch mit einem Bier auf den Boden zu setzen oder das neuste Merch und den Geldbeutel abzuchecken.

Pünktlich um 20:00 Uhr stehen die schon jetzt aufgeheizten Fans plötzlich auf. Drei in schwarz gekleidete junge Männer betreten die Bühne, denen man ihre Jugend ansieht und sich fragt: Wie, und das sind VAN HOLZEN!? Die Meinung scheinen auch andere im Publikum zu teilen, denn es gibt (noch) keinen Applaus.

VAN HOLZEN © Fiona Thiele

Was dann passiert, hatte ich nicht erwartet. Von der Bühne und dem juvenilen Trio (Bass, Drums und Gitarre) donnert ab der ersten Sekunde ein unsagbar fetter Sound und eine sehr intensive Show auf das Publikum ein. Die sehr energetischen und druckvollen deutschsprachigen Songs lassen sich irgendwo zwischen Rock, Punk, Hardcore und Indie einordnen. Es dauert allerdings 2-3 Songs und braucht eine Aufforderung des Sängers („ein bisschen Bewegung jetzt, bitte“), bis sich der erste Moshpit des Abends vor der Bühne bildet. Und es sollte nicht der einzige bleiben.

Sichtlich beeindruckt von der Resonanz aus dem Publikum verabschieden sich van Holzen mit einer Ansage, dass es nicht selbstverständlich für sie sei, dass das Publikum beim Support-Act so abgeht und spielt mit Ansage einen Song „gegen all die Nazischweine da draußen“. Hier fühle ich mich wohl, denke ich.

Die letzten Töne verhallen und schon jetzt gibt es die ersten „ZUGABE“ – Rufe. Beim Support… nicht schlecht, Jungs.

Pause. Die Türen der Venue werden aufgerissen und tatsächlich: es wird ein wenig kühler. Die Tanzenden und Schwitzenden hatten dem Laden im wahrsten Sinne des Wortes ordentlich eingeheizt.

Heisskalt © Fiona Thiele

In der 30-minütigen Pause werden einige Biere getrunken und auch der Raum wird nach und nach deutlich voller. Um 21:12 Uhr setzt dann ein Techno-Beat ein, der um 21:15 Uhr in die ersten Töne des HEISSKALT Show- und Album-Openers „Bürgerliche Herkunft“ mündet. Aber niemand steht auf der Bühne. Dass die Gitarre nicht vom Band kommt, bestätigt sich, als HEISSKALT die Bühne betreten. Sänger und Gitarrist Matze spielt die ersten verzerrten Gitarren-Töne beim Bühnenaufgang.

Obwohl der Song erst 3 Wochen alt ist, ist der Großteil der Fans textsicher und stimmt zusammen mit Matze ein: „Zwei Möhren, das geht nicht. Die gibt es nur im Bund oder als Kilo…“. Von jetzt an wird getanzt, gesungen und am allermeisten wird geschwitzt.

Mit dem zweiten Song „Nacht ein“ liefern HEISSKALT dann einen Song vom 2016er Album „Vom Wissen und Wollen“, was die Menge mit lautem Jubel und noch mehr Eskalation honoriert.

Aber auch trotz – oder gerade wegen – zahlreicher Mosh- und Circlepits, Crowdsurfer und Stage-Diver bleibt es im Publikum absolut friedlich. Es gibt nur einen Security-Guy, der den Abend über auch nicht eingreifen muss. Die Fans kümmern sich um sich selbst und springen auch schonmal von der Bühne ins Publikum. Ausgelassene gemeinsame Freude über ein qualitativ sehr hochwertiges Konzert.

Die musikalische Qualität der drei Stuttgarter zeigt sich vor allem darin, dass sie als Trio immer noch genauso gut klingen wie in früheren Quartett-Zeiten. Und auch wenn es mal anders als gewohnt klingt, klingt es mindestens genauso gut. Ein gutes Beispiel dafür liefern sie mit ihrer neuen Single „Idylle“ und danach einer neu arrangierten Version ihres Hits „Dezemberluft“. Keine Gitarren – nur zwei Bässe und ein sehr reduziert und gefühlvoll gespieltes Drumset.

Heisskalt © Fiona Thiele

Allerdings nimmt man eine gewisse Zurückhaltung während der neuen Songs im Publikum wahr. Es wird gesungen und getanzt, aber nicht so intensiv und inbrünstig wie bei z.B.„Alles gut“. Diesem Song gegen Ende des

Sets schiebt Sänger Matze eine Ansage vor, in welcher er sich deutlich gegen AfD und rechtes Gedankengut positioniert. Aus dem Publikum hört man zustimmende „Nazis raus!“ und „Alerta, Alerta Antifascista“ – Rufe. Hier sind sich alle einig und vereinen sich beim nachfolgenden Song in einer schwitzenden, ausrastenden Masse. Der Höhepunkt des Konzertes ist erreicht.

Mein persönliches Highlight kommt kurz vor Schluss mit „Herbstlied“. Ein Lied über Herbstdepressionen, das mit einem langen und fast schon meditativen Gitarrenintro beginnt und in zwei kurzen traurigen Strophen mündet. Leider schaffen es die Bochumer nicht, bei diesem sehr emotionalen und melancholischen Song, der Stimmung entsprechend leise zu sein.

Ein letzter Song („Absorber“). Ein letztes mal tanzen und die Hoffnung auf die Zugabe. Die fällt zwar mit einem Song („Hallo“) sehr kurz aus, aber HEISSKALT verabschieden sich witzelnd-sympathisch mit „Ja ne… das wars jetzt! Tschüss!“. Meinen Humor hat es getroffen.

Heisskalt © Fiona Thiele

Fazit: Auch, oder vielleicht sogar gerade zu dritt sind HEISSKALT eine sehr gute und energetische Live-Band. Instrumenten- und Positionswechsel auf der Bühne und der damit einhergehende Verzicht auf große Backing-Tracks zeugen von musikalischer Qualität. Gute Ansagen und eine intensive Bühnenshow sorgen für eine ausgelassene Stimmung auf und vor der Bühne. Zusammen mit der absolut fantastischen Vorband VAN HOLZEN war der Abend in der Zeche Bochum eines meiner Konzert Highlights bisher in 2018.

Text: Moritz Herrmann

Fotos: Fiona Thiele

(mehr Fotos von Fiona bei Instagram)

 

 

 

 

 

 

 

Heisskalt © Fiona Thiele

Heisskalt © Fiona Thiele