Die Musikredaktion empfiehlt: Gunner & Smith – Byzantium

2. Februar 2019 | L'UniCo Musikredaktion | Keine Kommentare | Allgemein, Musikredaktion, Schallinspektion

Mit wilden Genremischungen um sich zu werfen, um aus allen möglichen Nischen Hörer abzugreifen, das kennt jeder, der sich gelegentlich einen Pressetext durchliest. Und so ist man erst einmal skeptisch, wenn selbstbewusst behauptet wird, dass Gunner & Smith auf ihrer neuen Platte „Byzantium“ Indie-Rock, Alt-Country und Psych-Americana miteinander verschmelzen. Nico sagt euch, ob das Experiment gelungen ist.

Geht ein paar Jahre zurück in eurem Leben. Versetzt euch in den Geschichtsunterricht der Mittelstufe zurück. Byzanz, da war doch was, oder? Ganz genau: Byzantion, oder in Englisch eben Byzantium, war die Hauptstadt des Byzantinischen Reichs, später hieß die Stadt Konstantinopel, heute Istanbul. Doch ebenso ist es der Titel der neuen Platte von Gunner & Smith, der kanadischen Band rund um Frontmann Geoff Smith. Und eins sei gleich vorweg gesagt: „Byzantium“ hat es in sich und ist ein Diamant, nicht nur für Freunde der amerikanischen Roots-Musik.

Denn gleich der Opener „Wicked Smile“ strotzt nur so vor düsterer Energie. Schleppende Rhythmen, ein starkes Spiel mit der Dynamik und dreckige Gitarren sorgen für eine dichte Atmosphäre. Gleich zu Beginn fühle ich mich unglaublich beklommen. Und diese Beklommenheit lässt einen während des gesamten Albums nicht los. Ich fühle mich immer wieder an 16 Horsepower oder Lambchop erinnert, doch Gunner & Smith werfen noch eine ordentliche Portion Rock mit auf die Platte. Mal stechen, wie bei „Wisconsin“, die Country-Elemente mehr hervor, andere Songs wie „If the Light Comes“ lassen diese komplett vermissen und strahlen durch Phaser-getränkte Gitarren und rhythmische Trägheit eine unglaubliche Melancholie aus. „I Had a Dollar“ wirkt dagegen fast schon wie ein Singer-Songwriter-Song mit einer Prise Americana. Der Titeltrack, gleichzeitig Abschluss des Albums, besticht nicht nur mit einer grandiosen Solo-Gitarre, sondern auch mit textlicher Tiefe. Generell ist ein zweiter Durchlauf mit Fokus auf den Text empfohlen, denn dieser stellt alles andere als Füllmaterial dar.

Doch so variabel sich diese Genremischung anhört: Ein roter Faden bleibt bestehen, nur selten bricht „Byzantinum“, wie bei „Wisconsin“, aus dem musikalischen Konzept aus. Dadurch entsteht ein Zwiespalt: Einerseits hätte ich mir hier und da etwas mehr Abwechslung erhofft, sowohl in Instrumentierung als auch Rhythmik. Andererseits erzeugt das Album erst durch diese musikalische Stringenz den Trance-Effekt, der wohl auch gewünscht ist. Das nicht auf Radiotauglichkeit, sondern auf ein künstlerisches Gesamtkonzept wert gelegt wurde, lässt sich auch an der Spielzeit ablesen: nur vier der elf Songs kommen unter die 4-Minuten-Marke, das Prädikat „kurz & knackig“ ist hier eher nicht zu vergeben.

Doch letzten Endes erzählt „Byzantium“ in erster Linie Geschichten, die wie eine Vertonung der Stadt wirken: Mal aufstrebend und majestätisch, dann dem Niedergang geweiht. Manchmal sogar beides gleichzeitig. Das Album ist dabei definitiv keine gute Wahl für einen sonnigen Sonntagmittag, eher für die derzeit sowieso vorherrschenden tristen Winterabende. Trotzdem spreche ich eine klare Empfehlung für Fans von Psychedelic, Americana und auch Post-Punk aus, die nicht einer absoluten Genre-Starrheit verfallen sind. Abschließend bleibt deshalb nur zu sagen: Schön, wenn eine im Pressetext angekündigte Genremischung tatsächlich auch auf dem Album wiederzufinden ist. Danke dafür, Gunner & Smith!

Text: Nicolas Blum