14. Februar, Valentinstag – oder auch der Tag, an dem wir uns mal wieder nach Köln aufgemacht haben, um wunderschöner Musik zu lauschen. Dieses Mal waren wir bei Dodie in Köln zu Gast. Genauer gesagt in der Kantine – zugegeben ziemlich ab vom Schuss, dafür aber umso cooler. Nicht nur die Lichterketten im Außenbereich, auch die riesige Discokugel in der Venue selbst, hatten es uns schon vor Konzertbeginn angetan.
Dorothy Clarke aka doddleoddle aka Dodie ist eigentlich YouTuberin, hat jedoch bereits in ihren Anfängen immer mal wieder eigene Songs und Cover hochgeladen und sich so seit 2011 stetig eine solide Fanbase aufgebaut. Ihre allererste EP „Intertwined“ brachte sie 2016 heraus und gab so den Startschuss für ihre musikalische Laufbahn außerhalb von YouTube. Mit ihrer authentischen Art, recht minimalistischen Arrangements und Texten, in denen sich ihre Zuschauer wiederfinden können, hat Dodie durchaus ihren Stil und ihre Nische schon so früh in ihrem Werdegang gefunden. Nun tourt sie bereits zum zweiten Mal durch Europa – diesmal mit ihrer aktuellen EP „Human“.
Orla Gartland, Singer-Songwriterin aus Irland und ebenfalls Freundin von Dodie, eröffnete den Abend und spielte sowohl Songs ihrer bereits veröffentlichten EPs, als auch noch unveröffentlichtes Material. Mit meiner anfänglichen Vermutung, die Mehrheit des Publikums wäre lediglich für Dodie hier, konnte ich nicht mehr daneben liegen. Bereits mit dem ersten Song war klar, dass das Publikum genauso ein großes Herz für Orla wie für Dodie hat. Und dies schlug sich in einer beeindruckenden Textsicherheit der Menge und vielen selbstgebastelten Plakaten, Schildern und Herzluftballons nieder. Mit ihrer erfrischenden Lockerheit sang Orla von unerwiderten Liebesgeständnissen und gescheiterten Beziehungen, brachte die Menge zum Tanzen und bot keine Gelegenheit, um diese oftmals vorherrschende Künstler-Publikum-Distanz entstehen zu lassen. Die halbe Stunde Vorprogramm, die den Zweck des Aufwärmens nicht nur erfüllt, sondern gesprengt hat, fühlte sich demnach eher wie eine Party mit einer guten Freundin an. Wer mit ihren Videos und Songs vertraut ist, kann sich sicher sein, dass sie live mindestens genauso abliefert und man sich wiederholt fragt, wie jemand so cool und gleichzeitig so professionell sein kann.
Nach relativ kurzer Wartezeit wurde es dunkel und die Lautstärke in der Kantine erreichte beinahe klischeehaftes Boybandniveau. Gehüllt in weißen Nebel und halb versteckt hinter dem Drumset, tauchte ganz vorsichtig eine zierliche Gestalt in einem weißen Kleid und sympathisch unordentlich gemachtem Dutt auf. Zwischen herabhängenden Glühbirnengirlanden, die der Bühne den Hauch eines Wohnzimmerkonzerts gaben, begann Dodie ihr Set mit „Arms Unfolding“ – einem unscheinbaren Acapellasong, der als Intro gedacht war, jedoch leider in den Reaktionen des Publikums verschwand. Allgemein enttäuschte der Sound etwas, der Bass übertönte den Gesang leider oft sehr, die treuen Fans sangen dafür aber umso lauter mit. Insgesamt 18 Songs, darunter auch relativ alte, aber beliebte Exemplare, gab Dodie zum Besten und nahm das Publikum mit auf eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Im Gegensatz zu Orla Gartland, die übrigens auch bei Dodie Gitarre spielte, kam Dodies Show etwas ruhiger bzw. etwas atmosphärischer und intimer daher. Immer wieder schob sie kleine Anekdoten und Erklärungen zwischen ihre Songs und traf mit ihren Ansagen und Geschichten den Nerv ihrer Zuschauer. Themen wie Psychische Gesundheit, Anderssein, Freundschaft, und jegliche Probleme, die das Thema Liebe mit sich bringt, sind nur einige Dinge, die Dodie besingt und damit nicht nur jedem Teenager aus der Seele spricht. Dass sie bei einem ihrer Songs ganz kurz den Text vergaß, macht sie tatsächlich noch sympathischer. Genau das ist auch das, wofür Dodie steht: Ehrlichkeit, Authentizität, Imperfektion und auch eine gewisse Verletzlichkeit, die diese Offenheit mit sich bringt. „Secret For The Mad“ kündigte Dodie an, indem sie eine schwierige Phase in ihrem Leben Revue passieren ließ und ermutigte alle, die ähnliches durchmachten „It does get better. Believe me, it will!“ und erntete prompt ein ehrliches „Thank you!“ aus dem Publikum. Das Konzert war ein einziges Geben und Nehmen, metaphorisch wie auch wörtlich. Während „Rainbow“, Dodies Hymne an die LGBTQ+-Community, der sie selbst angehört, leuchtete plötzlich die gesamte Halle bunt auf. Fans hatten sich Papierfetzen vor die Handykameras geklebt und die Taschenlampen angeschaltet, sodass ein regenbogenfarbenes Lichtermeer die Kantine erhellte und die Symbolik des Songs hervorhob. Doch auch ihre dynamischsten und tanzbarsten Songs wurden gespielt und knüpften an der Energie an, die Orla zuvor vorgelegt hatte. Es wurde ausgelassen getanzt, Harmonien gesungen und jeder einzelne Song mitgesungen und mitgeklatscht (obwohl das wohl ein deutsches Phänomen ist). Nach einer angenehmen und durchaus gelungenen Mischung zwischen traurigen, ruhigen und dynamischen, fröhlicheren Songs, beschrieb „In The Middle“ das Ende des Abends. Dodie und Band hatten ihren letzten Takt gespielt und sich verbeugt – Bruno Mars lief bereits als „Rausschmeißer“ – doch ans Ende war nicht zu denken. Es wurde noch weiter getanzt und Dodie und ihr Bassist lieferten sich noch ein spontanes Fortnite-Dance-Battle. Ein sympathischer Beweis dafür, dass nicht nur wir elende Opfer der Popkultur sind.
Schon vor dem Konzert hatte ich nur Liebe für Dodie und ihre Musik übrig, aber nun hat auch Orla Gartland mein Herz im Sturm erobern können. Nach gut anderthalb Stunden voller Girlpower, der ein oder anderen Träne (oder dem ein oder anderen größerem Schluchzer) und Partyfeeling, konnte sicher jeder mit einem Lächeln auf den Lippen den Weg nach Hause antreten.
Text: Michelle Henße
Fotos: Fiona Thiele