Indie-Pop is alive and well. Mittlerweile ziemlich weit oben dabei: Tessa Violet. Auf ihrer ersten europäischen Headline-Tour „I Like (the idea of)“ hat sie zwei Tage vor Release ihres Debüt-Albums „Bad Ideas“ im beschaulichen Yuca in Köln gespielt. Grund genug, das Konzert-Mekka Köln-Ehrenfeld mal wieder zu besuchen.
Los geht’s aber zunächst mit Leadley, die Tessa auf dem europäischen Teil der Tour begleitet. Der Name klingt erstmal vertraut, jedoch mussten wir nach ordentlichem Grübeln zugeben, dass wir Leadley tatsächlich noch nicht kannten. Erstmal aufregend! Musikalisch wie optisch liefert Leadley eine sehr saubere – damit aber leider auch wenig aufregende – Show ab. Von der pinken Perücke über sorgfältig durchdachte Armbewegungen bis zum äußerst vorproduzierten Synthesizer-Sound und eher verhaltenen und generischen Ansagen wirkt der komplette Auftritt irritierend eingeübt, fast schon maschinell. Das (K-)Pop-Image sitzt perfekt. Da sind wir bei Dodie, Orla, ja und auch Tessa (die wie Leadley alle derselben angloamerikanischen Indie-Pop-Newcomer-Clique entspringen) eigentlich andere Umgangsformen gewöhnt. Wenn Leadley dann sagt, dass ihr letztes Jahr ziemlich beschissen war, glaubt man ihr und ihrem Song „23“ das trotzdem. Aber irgendwie auch nicht. Somit klingt ihre Musik leider auch als hätte man sie bereits schonmal gehört, als könnte man den Refrain schon mitsingen – catchy war es also allemal!
Nach guten 30 Minuten dann Kontrastprogramm: Tessa Violet betritt samt Band die gut gefüllte Bühne. Meine persönliche Überraschung des Abends: Jess Bowen, als Drummerin von The Summer Set möglicherweise noch einigen Post-Punk hörenden, in Vans Warped Tour Erinnerungen schwelgenden Emo-Kids bekannt, war nach Auflösung der Band erst mit 3OH!3 und nun mit Tessa Violet unterwegs. Mit diesen Erinnerungen bin ich scheinbar nicht die einzige, denn nach dem Konzert wurden fleißig Selfies gemacht und alte Fotos unterschrieben.
Nun aber zur eigentlichen Protagonistin des Abends, die sich im knallorangenen Overall vor das Mikrofon stellt und energiegeladen „Hello Berliiiin!“ in die Menge ruft. Ups. Kein Problem für Tessa; sie ist es scheinbar gewöhnt, die awkward Person im Raum zu sein (kleiner Auszug aus Bad Ideas: „And I’m a little awkward, sure“) – na damit können wir uns doch identifizieren. Überhaupt nicht awkward, sondern selbstbewusst und platzeinnehmend im allerpositivsten Sinn legt Tessa eine Show auf die Bühne, die dynamischer nicht sein könnte. Ihre Songs sind meist schnell, poppig, energetisch und vor allem niemals eintönig: Bei „Wishful Drinking“ wird’s mal soulig, bei „Bored“ fast punkig – gerade die Aufforderung an das Publikum, auf den Refrain schreiend mit „BORED, HEY!“ zu antworten, gleicht einer Mini-Rebellion.
Generell ist das bunt gemischte – aber definitiv von Tessa’s (und unserer) Generation dominierte – Publikum nicht nur textsicher, sondern schien sich auch in ihren Anekdoten wieder zu finden: “It’s the name of the song, it’s the name of my album, it’s the theme of my entire life. It’s called Bad Ideas” Cue märchenhafte Melodie, ehrliches Lachen im Raum und dann ein wahrliches Liebeslied für Generation Bindungsangst. Romantisch, verspielt und irgendwie auch wild fasst den Abend im Yuca wohl am besten zusammen. Humor und Sarkasmus kann sich Tessa übrigens auch ganz groß auf die Fahne schreiben. Man merkt es in ihren Songs („It’s 4 AM again / You think that I could sense a trend“) und man merkt es auf der Bühne („I call this song…tuning my guitar!“ Whooo!) – ihre Anheizübungen und Mitmach-Passagen wirken subtil und nie künstlich oder aufgelegt.
Zu den großen Gefühlen einer Liebe, wie sie Tessa auf ihrem Album beschreibt, gehört aber auch eine ordentliche Portion Melancholie. So wird bei „Words Ain’t Enough“ und „Interlude III“ die E-Gitarre von der Akustik-Version abgelöst, Handy-Taschenlampen mit bunten Post-Its erheben sich über der Menge, das Spotlight liegt allein auf Tessa und plötzlich herrscht pure Gänsehaut-Stimmung im Raum.
Gegen Ende gibt es dann natürlich immer diesen einen Song, auf den das Publikum den ganzen Abend wartet: In Tessa’s Fall heißt er „Crush“. Und was soll ich sagen: Tessa hat es *gecrushed* (sorry). Der Mix aus souveränen Moves, einer Tendenz zum Elektro-Pop und simplen, aber nie banalen Texten lässt das Konzert eher wie eine (sehr große) Jam-Session erscheinen. Unerwarteter Bonus am Ende: Tessa Violet ist eigentlich eine der wenigen KünstlerInnen, die keine fest eingeprobte Zugabe-Routine haben. Doch an diesem Abend in Köln lässt sie es sich nicht nehmen, ein Wunschlied zu spielen. Eine kurze Stimmungsumfrage im Publikum später steht fest: Die Entscheidung fällt für „Tennessee“, eine drei Jahre alte Ballade über Sommerliebe und Heimat, provisorisch aufgenommen in Tessa’s kleiner Apartment-Küche. Damals wie heute reicht dem Song Tessa’s sanfte Stimme und ihre Akustik-Gitarre. Hach.
Wir verlassen das Yuca mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht und vielen „Bad Ideas“ im Kopf. Hausaufgabe an euch: Unbedingt ins neue Album reinhören!
Text: Miriam Vogt
Fotos: Michelle Maurer