Am 8. Mai 2020 war es soweit: Das Solo-Debüt von Hayley Williams konnte endlich gefeiert werden. „Petals For Armor“ heißt das langersehnte Album der Paramore-Frontfrau, welches über den Produktionszeitraum zu ihrem persönlichsten Werk gereift ist.
Anders als viele Künstler aktuell hat Williams wegen der andauernden Corona-Krise und der sinkenden Streaming-Zahlen darauf verzichtet, ihr Release-Datum nach hinten zu verschieben, sondern an dem schon früh gesetzten 8. Mai festgehalten. Wahrscheinlich auch gerade deshalb. Denn das Album thematisiert primär die mentalen Unruhen, die Williams in den letzten Jahren erlebt hat. Für sie eine hervorragende Art, um die eigenen psychischen Probleme zu verarbeiten und für viele ihrer Hörer_innen ein kleiner Lichtblick in dieser noch weiter andauernden, instabilen Phase.
Bereits Ende Januar erschien die erste Single Simmer, welche auch das Album eröffnet. Ein dumpfer Signalton, welcher den Beat des Songs einläutet, begleitet von Stoßatmungen, die leichtes Unbehagen auslösen, bilden das Intro von Simmer. „Rage is a quiet thing“ heißt es in der ersten Zeile und läutet die Düsternis und gleichzeitige Melancholie des gesamten Albums ein.
Tatsächlich waren zwei Drittel der Platte schon vor dem eigentlichen Release bekannt, denn Williams veröffentlichte in den vergangenen Wochen zwei EPs („Petals For Armor I“ und „Petals For Armor II“), welche eben die ersten zehn der insgesamt 15 Songs beinhalteten. Kein Zufall, denn die drei einzelnen Parts von Petals for Armor unterscheiden sich voneinander, leiten gezielt ineinander über und bilden so einen klar erkennbaren roten Faden.
Die ersten fünf Songs (darunter auch Simmer) sind eher düster und mysteriös. Der mittlere Part des Albums (darunter Roses/Lotus/Violet/Iris) nimmt musikalisch zwar ein wenig Tempo auf, bewegt sich inhaltlich aber weiter in einem überwiegend dunkleren Milieu. Und doch gibt es hier und da kleine Lichtblicke, welche auch die positiven und hoffnungsvollen Momentaufnahmen von Williams‘ persönlichen depressiven Phasen darstellen. Im Intro von Dead Horse, dem sechsten Song auf dem Album, hört man eine Sprachmemo: „Sorry, I was in a depression. I’m trying to come out of it now.“ und das sagt eigentlich schon alles über den Verlauf des Albums aus. In Over Yet singt sie „If there’s resistance/ It makes you stronger/It’s not the end, If there’s resistance/It makes you stronger/Make it your friend“ und sagt klar und deutlich: Wenn dich etwas aufhält, kämpfe dagegen an und lass dich davon nicht unterkriegen!
Die Lyrics der gesamten 15 Songs sind sehr roh, ehrlich und fragil. Es wirkt wie ein Querschnitt durch die doch sehr durcheinander geratene Emotionswelt von Hayley Williams. In einem Interview mit BBC Radio im Januar 2020 sagte sie selbst, dass die Arbeit an „Petals For Armor“ die wahrscheinlich unheimlichste und doch bekräftigendste Erfahrung ihres Lebens war. Gerade was das Songwriting angeht, habe sie hier ihre wahrscheinlich besten Ergebnisse erreicht, auf die sie selbst sehr stolz ist. Sie hat durchaus viel herumexperimentiert und einfach zugelassen, dass ihre Emotionen und Gefühle sie leiten. Das Resultat: Eine komplett neue Seite von Hayley Williams wurde offenbart, die weder ihre Fans noch sie selbst zuvor je gehört haben.
Und auch musikalisch wurde wahnsinnig viel Neues ausprobiert. Mir fällt es sehr schwer, das gesamte Album einem einzigen Genre zuzuordnen. Denn wie bereits erwähnt, alle drei Parts von Petals For Armor unterscheiden sich deutlich voneinander. Hier und da kriegt man leichte 80s-Synth-Pop, R’n’B und Jazz-Vibes. In anderen Momenten kommen wiederum eher Dark-Pop und Alternative-Rock-Vibes zum Tragen. Erstmal hat sich Williams selbst auch an die Instrumente gesetzt und sich von ihrer eigenen Naivität leiten lassen.
Was das Album trotzdem zu einem großen Gesamtwerk macht, ist die gewisse Düsternis und Melancholie, die bei einigen Songs mal mehr und bei anderen weniger zum Vorschein tritt, jedoch nie komplett verschwindet. Großes Lob verdienen vor allem die ganz ausgefallenen und doch sehr poppigen Melodien, welche in wirklich jedem der 15 Songs zu finden sind. Außerdem steht Williams‘ Stimme immer im Mittelpunkt und bildet so das Bindeglied des Albums und gibt ihm ihren ganz persönlichen Hayley-Williams-Stempel. Und auch die vielen, wunderschönen Backing-Vocals darf man nicht vergessen. Sie geben den Songs sehr viel Raum und Tiefe und drücken gleichzeitig eine gewisse Intimität aus.
„Petals For Armor“ ist für mich ein äußerst interessantes und gelungenes Solo-Debüt! Man kann es schwer mit anderen Alben vergleichen, doch gerade das macht das Album auf eine sehr mysteriöse Art und Weise anziehend. Man spürt, wie persönlich jeder einzelne Song ist und wie viel Liebe zum Detail bei der Produktion aufgebracht wurde. Hayley’s Ziel, sich zu öffnen, verletzlich zu sein und so – vielleicht eben auch gerade so – endlich erfüllt und glücklich zu sein, hat sie offenbar erreicht. Danke Hayley, dass Du Dich für uns und auch für dich geöffnet und deine persönlichsten Gedanken und Emotionen mit uns geteilt hast! Meine persönlichen Favoriten sind: Simmer, Why We Ever und Pure Love!
Text: Zara Akopyan