KUMMER – endlich „der LETZTE SONG“

22. November 2021 | L'UniCo Musikredaktion | Keine Kommentare | Allgemein

„Ich mag, wenn Sachen auch mal vorbei sind“. Mit diesen Worten kündigte Felix Kummer Mitte Oktober den finalen Akt seines Solo-Projekts Kummer an. Bevor sich der Kraftklub-Frontmann 2019 auf unbestimmte Zeit aus seiner Band zurückgezogen hat, um Projekte umzusetzen, die in dieser keinen Platz hatten, war er bereits mit Pseudonymen wie Bernd Bass oder Carsten Chemnitz unterwegs. Doch so unbestimmt war Kummer nicht. Es war von vornherein klar, dass Kummer irgendwann vorbei sein würde, und mit DER LETZE SONG ist dieser Moment jetzt gekommen. Kummer war nicht nur ein Projekt, Kummer ist ein Konzept. Ein Konzept auf Zeit.

Was mit der ersten Single 9010 und kurze Zeit später dem Album Kiox begann hört nach zwei Jahren und einer unterbrochenen Tour (wir alle kennen den Grund) genauso schnell wieder auf. Diese Idee der geplanten Begrenztheit spiegelt sich auch bei DER LETZTE SONG wider, der genau wie das Album nur bis zum Releasedatum vorbestellbar war und auch nur in dieser Auflage produziert wird – nur diesmal eben ohne Plattenladen mit einer so kurzen Öffnungszeit, dass man denkt man wäre bei einem Hausarzt, der nur Privatpatienten aufnimmt. Aber Kiox und DER LETZTE SONG sind keine Produkte einer Industrie, die einmal produziert, totkonsumiert und dann weggeschmissen werden. Hier wird Recycling großgeschrieben. Und so sind nicht nur Deckenleuchten eben jenen Plattenladens zu Bühnenelementen der fortgeführten Tour umfunktioniert worden, sondern es sind auch im Text und der Musik aber vor allem im Video zur finalen Single viele Stationen des Kummer-Kosmos wiederzufinden, die sein Konzept zusammenfassen, abrunden und logisch beenden.

In dramatischen Slow-Motion-Aufnahmen begegnet Kummer essentiellen Protagonist:innen, die ihn auf seinem Weg begleitet haben, wie beispielsweise BLVTH, der nicht nur DER LETZTE SONG sondern auch Kiox produziert hat, Band-Kollege und Mit-Songwriter Steffen Israel, die Feature-Gäste KeKe und LGoony (Aber Nein (Kiox)) oder die Band Blond, die auf seiner Tour als Support dabei sind. Die Einblendung kurzer Snippets älterer Musikvideos (9010, Der Rest meines Lebens (feat. Max Raabe) und Bei Dir) zeigen auch auf bildlicher Ebene, wie Kummer sein Konzept von vorne bis hinten durchdacht hat. Mit dem Shot des fallenden Kummers wird eine Referenz zum Album-Cover von Giant Rooks (Rookery) gezogen, aus dessen Besetzung sich Kummer Sänger Frederik Rabe als Gast auf DER LETZTE SONG eingeladen hat, der hier aber in ungewohnter Weise auf Deutsch singt. Die Ästhetik der dystopischen Welt, in der sich Kummer und Fred Rabe im zweiten Teil des Videos befinden, wirkt wie ein Blick in eine friedliche und harmlose Zukunft, die aber eher steril und emotionslos und damit kalt und ungemütlich erscheint.

Die Musik selbst schafft es dabei diese Ambivalenz des Songs spürbar zu machen. Auch wenn der Großteil des Tracks durch einen monotonen und eigentlich tanzbaren Beat geprägt ist, wirkt dieser jedoch so leblos und abweisend, dass man mehr seine Gedanken als seinen Körper in Schwingung bringt. Es ist wie er rappt: „Eine Strophe und die gute Stimmung kippt“. Spätestens im stark heruntergebrochenen Refrain wäre das sowieso passiert. Das „Aber alles wird gut“, das Frederik Rabe wie paralysiert herunterpredigt, ist nicht mehr als eine leere Parole und hilft in einer Welt, die wortwörtlich „im Arsch“ ist so viel, wie ein Pflaster auf einer Fleischwunde – einfache Sätze sind eben keine Antwort auf komplexe Probleme. Die tiefere Ebene des Songs ist klar: Es ist ernst Leute. Und so funktioniert der dröhnende Lead-Synthie mehr als Warnsignal. Wie die Sirene, die man schon aus der ersten Single 9010 kennt und die das Komplett-Konzept erneut unterstreicht.

Mit dem Rhythmus in DER LETZE SONG greifen Kummer und BLVTH zwar klar die dritte Single Bei Dir auf, aber die verzerrten Staccato-Synthies erinnern deutlich mehr an geschrappelte Gitarren á la Kraftklub, was womöglich weniger für das Ende von Kummer als hoffentlich für eine Fortsetzung von Kraftklub steht. Ebenfalls stechen mit den Zeilen „und wär mein′ Großvater nicht seit 15 Jahren tot, würde er jetzt sagen ‚Mensch Kinder wie die Zeit vergeht‘“ und „aber ‚glaub an dich, geh‘ deinen Weg‘ schaffe ich einfach nicht zu schreiben“ deutliche textliche Referenzen an ältere Kraftklub Songs (Melancholie (Mit K) und Fenster (Keine Nacht für Niemand)) ins Auge, die ein viertes Kraftklub Album zumindest nicht unwahrscheinlich erscheinen lassen.

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