„Alle meine Songs sind traurig, klingen aber nicht so“

22. Mai 2023 | L'UniCo Musikredaktion | Keine Kommentare | Allgemein

Mit selbstironischen Ansagen, fantastischen Melancholie-Hymnen und einer routinierten Backing-Band bringt Fenne Lily am 2. Mai das Kölner Publikum zum schmelzen

Köln, Jaki. Während sie ihre Gitarre stimmt, wendet sich Fenne Lily lässig vom Publikum ab und erzählt: “Die meisten meiner Songs sind sehr traurig, klingen aber nicht so. Der nächste Song klingt sehr traurig, ist es aber nicht. Er handelt von dem Tag, als ich einem Tinder-Kerl ein Bild von meiner Kniewunde geschickt hab – und er sich danach nicht mehr gemeldet hat.” Das Publikum lacht. Mit ihren Alltagsstories zeigt Fenne den Anwesenden immer wieder, wie geerdet sie ist – und wie sehr ihre Songs in ihren eigenen Erfahrungen verankert sind. 

Ihre Ansagen sind lässig. Ihrer Band wirft sie Küsse zu und scherzt über das fragwürdige Bühnenoutfit ihres Schlagzeugers – Shorts. Ihr Bier schäumt über auf den Boden der Bühne. Die Nebelmaschine läuft auf den Effektpedalen des Gitarristen Joe aus. Oft wird Fenne von einem grellen Spotlight geblendet. Aber die Band bleibt cool, spielt routiniert ihren Mix aus sanftem Indie-Folk, verträumten Gitarren- und Bass-Lines und Fennes unverkennbarer, extrem hauchiger Stimme. Die Unerschütterlichkeit der Gruppe ist sympathisch und passt gut zwischen die größtenteils ernsten und melancholischen Songs.

Das Konzert wird mit “Map of Japan” eröffnet und geht danach direkt in die beiden Vorab-Singles “Dawncolored Horse” und “Lights Light Up” über. Beide Songs münden in melodische Refrains, begleitet von den beinah jazzigen Grooves des Drummers James und dem Retro-Sound von Bassist Kane, der auch modisch an einen jungen Paul McCartney erinnert. Insgesamt werden alle Songs vom neuen (Fennes drittem) Album “Big Picture” gespielt. In der altersmäßig äußerst durchmischten ersten Reihe ist man natürlich trotzdem textsicher. Das Publikum bejubelt auch die Ohrwürmer “Car Park” und “Berlin”, die längst zum festen Bestandteil von Fennes Livesets gehören und hier deutlich rockiger gespielt werden. Vor allem in den Instrumental-Sektionen bauen James, Kane und Joe sehr gekonnt eine Wall-of-Sound auf, um dann wieder ganz plötzlich Fennes zarter Stimme Platz zu geben: “Listen to the siren call, it’s crying…”. 

Fenne erzählt von ihrem angeblich “schlechtesten Konzert aller Zeiten” und holt anschließend Naima Bock auf die Bühne, die sie bei den Songs “Henry” und “Red Deer Day” am E-Piano unterstützt. Naima Bock, eine Britin mit brasilianischen und griechischen Wurzeln, hat zuvor das Konzert mit sieben Songs eröffnet. Ausgestattet mit einer klassischen Konzertgitarre und einem zusätzlichen Gesangsmikrofon, das ihrem hall-umschlungenen Gesang eine mystische und extrem beruhigende Note gibt, verzaubert sie uns und den Rest des Publikums direkt beim ersten Song.

Zu den besten Songs des Abends gehört auch “Half Finished”, das sich im 6/8-Takt nach und nach aufbaut und dessen Crescendo erneut die Studioversion in den Schatten stellt. “I made no promises that I would stay, but I’ll try” singt Fenne und passend dazu beendet die Band mit diesem Song den Hauptteil der Setlist.

Ein paar Minuten später spielt alleine Fenne ihre Zugabe. Ihre Band habe sie “in den verdienten Feierabend geschickt”. Das Konzert ist das vorletzte auf ihrer Europa-Tour – eine umfangreiche US-Tour steht für die in New York City lebende Britin allerdings bereits vor der Tür. Erste Zugabe ist das langsam-ominöse “Superglued”, gefolgt vom ersten Song, den Fenne jemals schrieb: “Top to Toe”. Nach einigen Jahren ohne den Song habe Fenne gemerkt, dass sie ihn tatsächlich sehr gerne live spiele. Hier sind wir nochmal besonders berührt: Die Worte des intimen Songs über unerwiderte Gefühle singt Fenne verletzlicher und zugleich professioneller denn je. 

Nach dem Konzert signiert Fenne alles, was es am Merch-Stand zu kaufen gibt, macht Fotos mit Fans und erzählt uns zuletzt noch, dass sie schon ganz bald wieder in Deutschland und dem Rest Europas auf der Bühne stehen will.

Text: Raphael Gessenhardt

Fotos: Michelle Maurer

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