Es ist die Zeitenwende, von der Kanzler Olaf Scholz spricht, es ist der Streit um die Wärmepumpen in der Ampelregierung, es ist die Zeit, in der sich junge Menschen aus verzweifeltem Protest auf Straßen kleben.
Die Methode des zivilen Ungehorsams ist ein altbewährtes Mittel des Protests. Martin Luther King, Mahatma Gandhi, Greta Thunberg. Und jene Protestform erzeugt durchaus Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit scheint auch die Motivation eines Protestes an der UPB gewesen zu sein.
Am Morgen des 5. Juni besetzten zehn Studierende der Bewegung End Fossil – Occupy! das AudiMax. An die Tafel hängten sie ein Transparent mit der Aufschrift “BESETZT”. Davor Teppiche und zwei Sofas. Das Audimax sah fast wie ein Wohnzimmer aus.
Im Foyer des Audimax stellten zudem Studierende der Universität Göttingen Exponate und Informationen zum Thema Klimawandel und soziale Gerechtigkeit aus. Für Besuchende gab es kostenlose vegane Waffeln und Mitmachaktionen.
Kurzerhand wurden aus dem Unterrichtsraum ein Protestcamp und ein Museum. Organisiert und durchgeführt von der Gruppe End Fossil – Occupy!
Eine Gruppe, die sich anhand der drei Prinzipien Jugend geführt, Klimagerechtigkeit und Besetzen bis zum Erfolg, selbst organisiert. Die Paderborner Gruppe ist dabei nur eine von vielen bundesweit.
Der Bewegung geht es um bessere Studien- und Lebensbedingungen, den Ausstieg aus der fossilen Energie und damit verbunden stärkerer Demokratie an der UPB und der Gesellschaft. Sie kritisieren die Profitorientierung und die Verwobenheit der Industrie mit der Politik.
Die Universität Paderborn zeigte sich angesichts der Proteste ruhig und besonnen. Eine Dozentin nutzte die gemütlich wirkende Atmosphäre im Saal, um mit den Demonstrierenden zu sprechen. Ergebnis: nahezu alle Lehrveranstaltungen konnten in andere Hörsäle verlagert werden, sodass es keine nennenswerten Unterbrechungen des Lehrbetriebs gab.
Ein Protest dieser Art sei für die Hochschulleitung auch nichts Neues. Ähnliche Aktionen seien bereits durch die Berichterstattung vom Campusradio Radio Q aus Münster bekannt. Zur großen Kooperation zwischen den Protestierenden und der Uni kam es dann am Mittwoch.
Gegen 14 Uhr versammelten sich End Fossil – Occupy!, Lokalpresse und hunderte Dozierende im Audimax zur Plenumsdiskussion. DIe Diskussion verlief aus Sicht der Bewegung so erfolgreich, dass sie ihren Protest noch am selben Abend vorerst beendeten. Sie verwiesen aber darauf, dass es weitere Besetzungen geben wird.
Ist das AudiMax der richtige Ort für den Protest? Zweifelsohne tragen auch Studierende zur Umweltzerstörung bei. Eine Umfrage von Studitemps mit etwa 14.500 Studierenden kam 2019 zu dem Ergebnis, dass das Verhältnis zur Umwelt auf den Campusen zwiespältig ist.
Auf der einen Seite sorgen sich 90% der Befragten um das Klima, sich aber einschränken oder konkret etwas gegen den Klimawandel unternehmen tun nur wenige. Auffällig ist jedoch, dass weibliche Studierende engagierter sind und mitunter ihr Verhalten ändern.
Männliche Studierende hingegen tendieren der Umfrage zufolge dazu, nicht auf Fleischkonsum verzichten zu wollen. Studenten in Wirtschaftsstudiengängen schätzen zudem das Flugzeug als Transportmittel. Ihr Einsatz für Klimaschutz ist nicht somit nicht erkennbar.
Es zeigt sich also, dass Studierende das Problem kennen, aber wenig an ihrem Verhalten ändern, um gegenzusteuern. Die Besetzung des AudiMax kann insofern dazu beitragen, über das eigene Konsum- und Reiseverhalten nachzudenken.
Allerdings trifft dieser Protest nicht die Verursacher des strukturellen Problems. Die Politik und die Wirtschaft, die wesentlich zum Klimawandel beitragen, werden dieses Ereignis lediglich als Randnotiz bemerken. Wenn überhaupt. Der erwünschte öffentliche Druck wird mit einer einmaligen Aktion sicherlich nicht entstehen.
Die konkreten Forderungen an die Universität fallen schon deutlich stärker ins Gewicht. Und angesichts der Anwesenheit von einer Vielzahl an Lehrenden zeigt die Bereitschaft zu Dialog und Änderungen.
Insofern gilt es zuversichtlich zu sein, dass sich beispielsweise die Forderung nach verbindlichen Tarifverträgen für SHKs oder ein umweltfreundlicheres Angebot der Mensa umsetzen lässt.
Letztendlich wirkt der Protest aber auch wie blinder Aktionismus. Regelrecht trotzig treten die jungen Menschen auf, einige ihrer Forderungen wirken nicht vollständig durchdacht oder auf einen Kontext bezogen, der über den Campus hinausgeht und somit nicht durch die Universität umgesetzt werden kann.
Für soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz einzustehen ist verantwortlich für jeden einzelnen Menschen und daran zu erinnern und zu appellieren ist löblich. Es bleibt aber erneut die Frage nach den Methoden des Protests und der konkreten Umsetzung der Forderungen offen.
Text: Elizabeth Hartmann
Foto: Radio Hochstift