Der Inbegriff von Sad Girl Pop: Gracie Abrams in Köln

25. Oktober 2023 | L'UniCo Musikredaktion | Keine Kommentare | Allgemein, L'UniCo on Tour

„Good Riddance“ schreien am 11. Oktober im Carlswerk Victoria hunderte von Fans den
Albumtitel, Gracie lehnt sich zurück und leuchtet fast schon im Scheinwerferlicht. Passend;
sie ist der Star des Abends.


Gracie Abrams ist 24, aus Los Angeles und hat 2020 ihre erste EP „minor“ veröffentlicht. Die
zweite, „This Is What It Feels Like“, folgte nur ein Jahr später und im Frühjahr kam ihr
Debütalbum raus, was sie jetzt, nachdem sie in den letzten Monaten auch schon Taylor Swifts „The
Eras Tour“ als Opening Act unterstützt hat, mit ihren eigenen Shows tourt.
Als eigenen Opening Act hat sie Searows mit dabei, der mit seinen Songs das Konzert eröffnet und
gut auf Gracie eingestimmt und vorbereitet: sie sind ebenfalls sehr emotional. So sehr sogar, dass
schon beim allerersten Song des Abends die Handytaschenlampen zum Einsatz kommen. Seine
Musik ist ruhig und geht tief, seine klare Stimme macht seine Emotionen fast in der Luft greifbar.
Er bringt eine angenehme Atmosphäre und bedankt sich nach seinem Set mehrmals sympathisch
„for listening to his 7 minute songs“.
Ganz so ruhig bleibt es danach allerdings nicht; als Gracie in einem schlichten, weißen Kleid und
ihren vor einigen Wochen erst auf Schulterlänge geschnittenen Haaren die Bühne betritt, jubelt der
Saal so laut, dass die ersten paar Worte des Opener Songs „Where do we go now?“ kaum zu hören
sind.
Während Gracie es durch die Beziehungen ihrer Familie (ihren Nachnamen hat sie tatsächlich von
ihrem Vater, dem erfolgreichen Produzenten J.J. Abrams) ohne Zweifel sehr viel einfacher als
andere Künstlerinnen hatte, ins Musikbusiness zu kommen, kann ihr auch niemand absprechen, dass es auch ihr Talent ist, was sie dort hält so beliebt macht. Ähnlich wie Künstlerinnen wie die eben schon genannte Taylor Swift oder Olivia Rodrigo, erreicht und begeistert die 24-jährige mit ungefilterten, ehrlichen Lyrics, wie zum Beispiel „my double vision is only amplifying everything he isn’t, till I feel less attached and bored to death, but listen, it’s no one’s fault, it’s just my terrible condition“ oder „Last night I spiralled alone in the kitchen, making pretend that the furniture listened, wasn’t the best of my mental conditions“ vor allem viele junge Frauen und Mädchen, die sich mit ähnlichen Gefühlen und Erfahrungen identifizieren können. Durch ihre sehr raw eingesungenen Vocals kommen diese nachhaltig zur Geltung und vermitteln ihre Emotionen auch an Zuhörerinnen, die vielleicht nicht direkt auf jede Textzeile
achten.
Und dass ihr ihre Fans wirklich am Herzen liegen, merkt man nicht nur dadurch, dass sie ihre
Dankbarkeit oftmals ausdrückt und dabei sehr aufrichtig rüberkommt, sondern auch daran, dass sie
mehrmals die Show unterbricht, um sicherzugehen, dass alle in der Crowd versorgt sind und Wasser
in die Mitte durchgereicht wird, damit es allen gut geht und sie die Show genießen können. Sie
schafft es auch danach mit einer kollektiven Atemübung und etwas Humor die Stimmung wieder
aufzulockern und direkt zurück in die Show zu tauchen.
Einen Safe Space für ihre Fans zu kreieren, scheint vollkommen ihr Ding zu sein; sie möchte, dass
sich alle aufgehoben und sicher fühlen, drapiert die Bi Pride Flag, die sie sehr zum Anfang des
Konzerts auf die Bühne geworfen bekommt, gut sichtbar über ihrem Klavier und sorgt für kleine,
persönliche Momente.
„We just had some sort of connection“, sagt sie über einen Fan, der sich beim Meet & Greet vor der
Show genau den Song gewünscht hat, den sie eh vorher schon entschieden hatte zu spielen: ein
Fanfavorite und einer der vier Deluxe Tracks des Albums – Unsteady. Sie setzt sich zurück ans
Klavier, der ganze Saal hängt an ihren Lippen und als sie sich dabei einmal verspielt, scherzt sie
charmant „Can you tell this is the first time I’m playing this live?“, was ihre sympathische und
authentische Ausstrahlung wieder nur unterstreicht.
Zugaben hingegen scheinen eher nicht so ihr Ding zu sein. Nachdem sie von der Bühne
verschwindet, geht das Deckenlicht und die Musik wieder an und machen deutlich, dass es Zeit ist
den Saal zu verlassen. Übel nimmt ihr das aber niemand; sie hat eine wunderschöne Show
hingelegt, sich authentisch unzählige Male bei ihren Fans bedankt und der letzte gespielte Song
„Right now“ über eine gewisse Art von Heimweh auf Tour, der noch in den Ohren nachhallt, ist
eben nicht nur der perfekte, melancholische Abschluss für ihr Album, sondern auch für eine
Liveshow.

Text: Renske Zufacher

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