Ein alter Mann im Schlafanzug wagt den Kopfsprung in das Hundeherz: Fortuna Ehrenfeld waren auf dem „Nah am Wasser-Festival “ in Münster. Völliges Feuer! Vor dem Auftritt trafen sich Kopf und Leber der Band, Martin Bechler mit L’Unico-Reporter Patrick Hagedorn im Backstage auf ein lauwarmes Wasser.
Hagedorn: Du wohnst in Köln Ehrenfeld und fühlst dich mit dem Veedel verbunden. Aber warum „Fortuna“? Magst du Drittliga-Fußball?
Bechler: Vorschlag: Du bringst mir die Leute, die das interessiert und ich beantworte dir die Frage. Diese Leute gibt es glaube ich nicht, das interessiert keine Sau (lacht).
Hagedorn: Ich bin Fan von Fortuna Köln, daher das Interesse…
Bechler: Ach guck … Ich sags dir, aber nicht senden!
Bechler: (erzählt ein Geheimnis)
Hagedorn: Okay. Du warst als Vorband mit Kettcar auf Tour. Wie war’s?
Bechler: Voll schön. Es gibt zwei Modi: Entweder du bist „Karl Arsch“, stehst nur im Weg herum, bekommst kein Catering, die beschissenste Garderobe, das beschissenste Hotel… In diesem Fall war das was Anderes. Man muss dazu sagen, dass Kettcar unsere Labelbehüter sind. Die haben uns wie Freunde aufgenommen und sehr geholfen. Ey, wenn ich auf ein Konzert gehe, bin ich bei der Vorband der erste am Bierstand. Kettcar haben auf allen Kanälen gesagt: „Leute, seid pünktlich“. Das hat funktioniert. Diese ganze Bande, dieses ganze Pack, Label und alle die dazugehören, sind ganz feine Menschen vor denen ich den Hut ziehe.
Hagedorn: Klingt grandios. Ist irgendetwas auf der Tour schiefgelaufen?
Bechler: Nö. Sorry, da gibt es in der Hinsicht nichts Spannendes zu erzählen. Es war einfach „Reisegruppe Seltsam auf dem Weg ins Paradies“.
Hagedorn: Ein gutes Stichwort! Das ist die Zeile ist aus einem deiner stärksten Songs „Das letzte Kommando“. Wie schreibst du solche unverkennbaren Songs?
Bechler: Das kommt aus meinem kranken Schädel, Alter! (lacht) Da habe ich noch nie drüber nachgedacht. Ich schreibe gerne Songs. Setze mich einfach hin und schreibe die – vollkommen angstbefreit. Da grüble ich nicht lange. Ich schreibe schnell, ohne jegliches intellektuelles Konstrukt drumherum. Das ist einfach ein Stück Popmusik, eine einfache, leichtgängige Kiste. Ich lasse den Text dann zwei Wochen liegen. Wenn er mir gefällt, wird ein Song daraus.
Hagedorn: Also arbeitest du zuerst mit dem Text?
Bechler: Mal so, mal so. Jeder muss seinen eigenen Weg finden, um Kunst zu vermitteln. Ich habe meinen gefunden und er ist sehr flott. Wie man in Köln sagt: „Rin, russ, afjewisch!“
Hagedorn: Jo, wat willste mache. Kam für dich die Kölsch-Schiene musikalisch in Frage?
Bechler: (überlegt) Kölsch ist eine wundervolle Sprache. Die kann man für viele Dinge verwenden: Singen, Erzählen oder Schimpfen. Die neue Entwicklung in der Kölner Popularmusik ist nicht so meins. Ich bin da eher in den 70er Jahren bei den Föös hängen geblieben. Das ist für mich viel feinsinniger. Heutzutage ist es mehr „Hau drauf, auf die Fresse“. Die Stadt versinkt zu Karneval mit irgendwelchen Mallorca-Idioten. Keiner will die haben, keiner hat Bock auf die… Bei der Gelegenheit: Haut ab! Vielleicht wird es irgendwann einmal passieren, dass ich auf Kölsch schreibe, aber bisher ist es nicht.
Hagedorn: Ich will nicht despektierlich erscheinen…
Bechler: (unterbricht) Doch! Sei das mal!
Hagedorn: In Ordnung. Du bist ein alter Sack und trotzdem Newcomer…
Bechler: Ja, wie ist denn die Frage?
Hagedorn: Die Frage lautet: Wie kam’s?
Bechler: Ein alter Sack bin ich ja nur aus der Perspektive von dir jungem Hühnchen! Du bist ja noch grün hinter den Ohren. Da kann ich ja nichts für, dass du hier deine Traumata mit mir abarbeitest. (lacht). Ja, wie kam’s… Ich habe Jahre lang glücklich und inspiriert in den Medien allgemein aus der zweiten und dritten Reihe gearbeitet. Mir hat es an nichts gefehlt. Das was wir heute als Fortuna Ehrenfeld spielen ist der Mülleimer. Ich habe viel für andere geschrieben und das ist halt so liegen geblieben. Das sind die Song bei denen alle gesagt haben „Hey nice! Aber voll scheiße!“ Wir reden hier über Glitzerschweine und Pizzablitz. Jeder der schnell Geld mit Musik verdienen möchte sagt: „Hau ab mit dem Kack!“ Der Stapel mit dieser kranken Scheiße wurde immer größer. Da wurde mir schnell klar, dass das mir die liebsten sind. Am Anfang habe ich in kleinen Clubs und auf kleinen Venues die Songs auf ’nem Klavier gespielt. Richtig los ging es dann durch das Label Grand Hotel van Cleef. Das hat dann eine Eigendynamik entwickelt. Der Zug kam ins rollen und ist nicht mehr zu stoppen. Das ist total schön. Das gebe ich nie wieder her, Mann!
Hagedorn: Was für Synthesizer benutzt du, um deinen Sound zu kreieren?
Bechler: Alles was Krach macht. Ich habe da noch nie viel drüber nachgedacht. Ich hänge mit guten Musikern und Produzenten im Studio ab. Dann machen wir einfach irgendwas. Das kann der billigste Drumcomputer sein oder der teuerste … Ach ne, teuer haben wir gar nicht. Dann wird an Knöpfen gedreht, bis es Spaß macht, ohne Sinn und Verstand. Ne! Stimmt nicht. Ich habe gelogen. Mit Sinn und Verstand. Es geht darum, für ein Textmanuskript einen glaubhaften Raum zu schaffen. Das muss nicht edel sein. Ich will, dass es immer ein bisschen scheiße ist.
Hagedorn: Das passt zu der Aussage meines besten Freundes, er hat mir den ersten Song von dir gezeigt und gesagt: „Hör dir das mal an, er ist einer der wenigen Künstler, denen man diesen Sound verzeiht“, aber das gehört hier wahrscheinlich nicht hin…
Bechler: Doch, das gehört hier hin! Liebe Grüße! Viele Leute denken, ein besonders teures Instrument wertet Songs auf. Die fahren dann nach LA um es von irgendeinem Spacko auf Koks mastern zu lassen. Ich glaube, um Musik zu transportieren braucht man Geschmack, aber keinen fancy Puderzucker.
Bechler: Uns fehlt noch irgendwie ein guter Schluss, oder? Frag mich nach meinem Schlafanzug!
Hagedorn: Alles klar, warum trägst du auf der Bühne einen Schlafanzug?
Bechler: Guck dich mal an, du Penner!
Interview: Patrick Hagedorn
Fotos: Fiona Thiele