Zum dritten Mal öffnete der ehemalige Schrottplatz im Dortmunder Norden seine Pforten für die Liebhaber des schweren Rock. Die Veranstalter vom Junkyard, Plattenladen Black-Plastic und der Farbaffäre Tättowierungen haben sich diesmal ein Upgrade einfallen lassen – das Festival war nun zweitägig und versprach somit ein Tag länger Qualität im Pott!
Neben einer gut befahrenen Verkehrsader und zwischen großen Gewerbekomplexen ruhte sie also – die sich etablierende Top-Location der Ruhrpottstadt. Vorbei an einer verwucherten Wiese und entlang der Backsteinfestung zum Eingang, Bändchen abschnauben und herein spaziert in eine bessere Welt. Selbst die Location war ganz nach dem Motto: Von Liebhabern für Liebhaber gemacht. Abgeschotten von der Außenwelt entstand hier ein eigener wohliger Südstaatenflair mit Do-it-yourself Attitude. Nachhaltig musste es sein. Sitzgelegenheiten aus alten Reifen, restaurierte Busse und abgestellte Autos zeugten von der Geschichte des Platzes, Liegestühle luden zur Erholung ein. Handwerk und Viva-con-Agua waren ebenfalls am Start. Handpoked Tattoos waren auch viel hipper als aus der Maschine. Besonderes Highlight war die eigens aufgestellte Skaterampe, die stets gut befahren war. Ja, ich war begeistert von dem Ambiente und der Location. Wie konnte diese kleine Welt nur so cool sein?
Zur Atmosphäre trugen jedoch im großen Teil die Besucher und Bands bei. Es schlug 16 Uhr, als die erste Band auf die Bühne trat. Und wie kann man das Dortmunder Festival besser starten als mit einem Dortmunder Trio? Roccos Red Cloud hatten sichtlich Spaß auf der Bühne. Eine Stunde nach dem Einlass war es zwar noch nicht gut besucht, das Publikum hat sich dennoch vom fuzzigen Blues-Rock der Drei anstecken lassen. Frontmann Rocco (ja, er heißt wirklich so) spielte sich mit seiner tiefen, rauen Stimme in die Herzen der Leute. „Ein wenig zu heiser“ wäre er gewesen, teilte uns der als Jazzmusiker anfangende Dortmunder lächelnd mit. In einer Plauderei nach dem Auftritt verteidigte er sich: „Normalerweise habe ich mehr Volumen“. Doch genau dieses etwas zu heisernde in seiner Stimme und das Unterbrechen eines Einsatzes für das richtige Stimmen der Gitarre haben den Charme ausgemacht. Er konnte drüber lachen, drum schmunzelten wir auch. Musikalisch betrachtet haben sie astreinen 70ie Sound gespielt, da konnte man echt nichts gegen sagen. Beeindruckend war vorallem auch die Streichbogen-Einlage des Bassisten, die ultra lässig wirkte.
Nach dem Opening Act kamen die Thüringer Motorowl, wo sich das das Publikum langsam füllte. Die aus Gera stammenden Musiker hatten eine tolle Bühnenpräsenz und wirkten verschmolzen mit ihren doomig-düsternen Klängen. Das ausufernde Spiel des Keyboarders ist ein Stempel für das ganze Quartett, welches aus reinen Vollblutmusikern besteht und es schlichtweg „fühlt“. Diese Leidenschaft war schön anzusehen, so war deren Auftritt eher was für die innere (Glück)se(e)ligkeit als für die Tanzschuhe. Leider hat mir der klare, hohe Gesang nicht gefallen, sodass ich außer bei den instrumentalen Parts nicht ganz in deren mystischen Sphären abtauchen konnte.
Besonderes Augen- und Ohrenschmauß waren für mich Odd Couple, bei denen spätestens jeder die Tanzschuhe anhatte. Der experimentelle Mix aus Garage, Psychedelic, Glam und Krautrock ließ den Staub aufwirbeln und uns volle 80 Minuten den kleinen Ableger der „Klapperschlange“ tanzen. Es fühlte sich an als würde Drangsal auf den australischen Garant King Gizzard & The Lizard Wizard treffen. Dynamische Wirkung hatte der wechselnde deutsch-englische Gesang des Gitarristen und Drummers, sowie die instrumentelle Rotation der einzelnen Bandmitglieder. Man tanzte ekstatisch, wippte mit und vergaß beinahe die Zeit – sehr erfrischend nach den düsteren Motorowl. Yada yada!
Headliner des ersten Tages und sehnsüchtig erwartet wurden die Niederländer DeWolff. Vollkommen musikalisch und stilistisch aus den 60ern entsprungen begeisterten sie Fans von Zugpferden wie Led Zeppelin, Deep Purple und Cream. Meinen Geschmack nach war ihr Konzept vom alteingesessenem Retro und altmodischem Auftreten ein wenig zu sehr überspitzt, zu oft gehört und zu unmutig. Nichtsdestotrotz überzeugten sie die Menge und spätestens nach dem Closer von Creedence Clearwater Revival verlangten alle eine Zugabe vom Abend.
Der gelungene erste Festivaltag stellte auf keinen Fall den Samstag in seinen Schatten. Opener war wie zuvor auch eine Dortmunder Band – Aniyo Kore. Das lokale Duo mit der einzigen Frau des Line-Ups (Jess and the Ancient Ones mussten leider absagen) kreierten alleine mit Gitarre, Bass und Drummachine weitflächige Klängen und eine interessante Synthese aus Art, Hip Hop und Post-Rock. Eine weitere Post-Tönung hatten die anschließenden Briten von Is Bliss. Viele Effekte wie Delay und Reverb erweiterten den Grunge-Anstrich auf eine traumhafte aber helle Ebene. Besonders gefallen haben mir die im Hintergrund stehenden halligen Vocals, welche die raumerfüllenden Instrumentals perfekt unterstützten.
Es folgte ein kleiner Einschnitt im Zeitplan, da die nächste Band Coogans Bluff im Stau stand (deutsche Autobahn und so). So hat sich kurzfristig ergeben, dass die ukrainischen Doomer Stoned Jesus vorgezogen werden mussten. Und was für ein Brett war das denn bitte! Langsame tiefe Riffs und scheppernde Drums läuteten eine apokalyptisch heiße Stimmung ein.
„Dafür wurde das Kiffen erfunden!“ – Anonymer Gast
Die Kiewer Jungs hatten Bock endlich wieder „vor einem Publikum zu spielen, das uns [sie] kennt“. Diese Motivation schwappte auf die Besucher über und resultierte in eine einzige Fusion der Musikgeschmäcker. Stoned Jesus haben sich zuhause gefühlt, und das hat man in jeder einzelnen Sekunde ihrer überlangen Werke gehört.
Nach diesem Abriss hatten es die bluesigen Coogans Bluff schwer, die Stimmung auf dem vorherigen Höhepunkt zu halten. Interessante, jedoch nicht vorantreibende Bläsereinsätze färbten ihre Musik auch nicht bunter.
Die Laune und Tanzfreudigkeit stieg bei den Psychedelic-Rockern My Sleeping Karma schnell exponentiell. Die einfache und sich auf wenigen Themen aufbauende Musik der Aschaffenburger umhüllte jeden in Trance und Rauchwolke. Die Instrumentalmusiker waren sichtlich gerührt von der positiven Resonanz und bedankten sich mit einer ausgiebigen Zugabe.
Indoor schlossen die Berliner Wedge mit ihrem kraftvollen 70er Rock á la Wolfmother das Line-Up nochmal perfekt ab. Topf passt zum Deckel wie Wedge zum JunkYard. Was ein Finale!
Man muss dabei gewesen sein – lasst euch nächstes Jahr vom einzigartigen Mikrokosmos des JunkYard Open Airs überzeugen! Lokale Bands und Szenehelden gilt es zu unterstützen. Der Pott ist weitaus mehr als nur alte und restaurierte Industriekultur. Es ist ein Zuhause für Musikschaffende und -liebende und die Initiative dieses Festivals eine Heterotypie.
Text & Fotos: Julia Pekasch