Am Freitag den 09.11. war Kabarettist Till Reiners mit seinem Programm „Auktion Mensch 2018“ zu Gast im Theaterlabor Bielefeld. Der Berliner hält der Gesellschaft und dem Bielefelder Publikum ca. 2 Stunden lang den Spiegel vor und verpackt seine Gesellschafts- und Kapitalismuskritik mit viel Ironie und Augenzwinkern.
„Bielefeld ist die Stadt, in der ich am häufigsten aufgetreten bin – ich weiß auch nicht warum…“
Damit eröffnet Kabarettist Till Reiners am Freitagabend seine Show „Auktion Mensch 2018“ im Theaterlabor Bielefeld. Der Wahlberliner schafft es durch den direkten Kontakt zum Publikum sofort eine Verbindung aufzubauen. Als er feststellt, dass das meist ältere Publikum zur Hälfte aus Theater-Abonnent*innen besteht und dieses ja besonders schwierig sei – die müssen ja erst noch feststellen, dass er ein Arschloch ist-, hat er die ersten Lacher sicher.
Till Reiners‘ Programm beinhaltet einen Roten Faden: Kritik an Kapitalismus, frech formulierte moralische Fragen, bei denen man sich oft etwas ertappt fühlt und Gesellschaftskritik. Die Frage, die hinter seinen Texten und Anekdoten steht, ist: „Wenn die Welt doch so schlecht ist – warum funktioniert sie dann so gut?“ Dieser und den daraus folgenden Fragen widmet er sich mit Haltung und viel Witz. Mal ironisch, mal lustig-platt und mal nachdenklich.
Till Reiners brave Optik und seine kindlich naive Weise, Witze zu erzählen, stehen im krassen Kontrast zu seinen derben Pointen. Dieses Stilmittel macht die Show auch so sympathisch. Man kann dem Till einfach nichts übel nehmen, auch wenn man das vielleicht von manchen älteren Zuschauer*innen erwartet hätte. Pointen wie „Man kennt doch die Situation, dass man denkt: ‚Für das Geld würd‘ ich’s nicht machen. Ein T-Shirt für 30 Cent nähen… Würd ich nicht machen, aber so viel Eifer unterstütze ich“, aus seinem Text Ich will reich sein, rufen bei vielen ein verschämtes Lachen hervor.
Reiners lässt keinen gesellschaftlichen Bereich aus, wenn er über Michael Schumachers Zeit im Koma sagt, dass dies wohl die klimaneutralste seiner Karriere ist. Auch wenn er sich beispielsweise fragt, warum man in den Zoo geht, wenn man Tiere mag, verpackt er diese moralischen Fragen ironisch-kritisch. Man gehe ja auch nicht in den Knast, weil man Menschen mag.
Auch über sich selbst kann Till Reiners gut und viele Witze machen:
„Ich bin das kapitalistischste Produkt, das es gibt. Ich bin ein Angebot, das sich selbst eine Nachfrage schaffen muss. Denn eine natürliche Nachfrage nach Till Reiners gibt es ja nicht… Leider.“
Man könnte nun noch viele weitere gute Pointen aufzählen, aber die schaut man sich besser live auf der Tour an, denn Till Reiners ist viel unterwegs. In Bielefeld beendet er sein Programm mit einer Zugabe, vor der er die Bühne nicht verlässt, weil ihm das „zu riskant“ sei und mit dem Hinweis, dass man sich am Tag danach auf die Gegenveranstaltungen der Nazi-Demo in Bielefeld begeben soll. Comedy mit Haltung und viel (dunklem) Humor.
Es braucht mehr Comedians wie Till Reiners. Gerade jetzt.
Moritz Herrmann