Von schwarz/weiß zu Pastell. Nicht nur ästhetisch hat sich einiges bei Taylor Swift getan, sondern auch in ihrem Sound. „Lover„, ihr mittlerweile siebtes Studioalbum, ist vor drei Wochen erschienen und hat seinen Vorgänger „reputation“ und damit verbunden ein eher dunkleres Kapitel ihrer Karriere abgelöst.
Dass Taylor Swifts Leben immer schon im Mittelpunkt der Medienlandschaft stand, war gerade in den letzten vier Jahren kaum zu übersehen. Alles wurde in der Öffentlichkeit kommentiert und diskutiert. Als Antwort darauf folgte „reputation“ – ein Album, in dem Taylor ungewohnt düster zu hören war und dem Hass ihr gegenüber auf exzentrische Weise trotzen wollte. Das Ergebnis blieb jedoch ohne großen Erfolg und war, verglichen mit vorherigen Veröffentlichungen, ihr bis dato schwächstes Ergebnis.
Das sollte sich nun bei ihrem „Lover“ bloß nicht wiederholen. Den Startschuss dafür machte Ende April die erste Single-Auskopplung ME! mit Brandon Urie. Fröhlicher Up-Beat-Pop, dem es aber an Originalität und einfallsreichem Songwriting fehlte, zumal der Track generell viel zu überproduziert wirkte und nach dem zweiten Hören fast schon nervig wurde.
Ähnlich verhielt es sich mit der zweiten Single You Need To Calm Down. In diesem Song sprach sie sich (erstmals) politisch aus – und zwar gegen Homophobie. Tolle Aktion, keine Frage. Vor allem die an die Single gekoppelte Petition für ein Gleichstellungsgesetz hat auf jeden Fall einen lobenswerten Nebeneffekt. Musikalisch betrachtet muss man allerdings feststellen, dass auch hier kein absoluter Hit hervorgebracht werden konnte.
Bis zu diesem Zeitpunkt also eher ernüchternd. Und ich bin ehrlich, viel erwartet habe ich im Vorfeld auch nicht. Aber bei 18 Songs – so viele wie noch nie zuvor auf einer Taylor-Platte – muss es doch den ein oder anderen gelungen Track geben, oder nicht?
Auf jeden Fall! Die dritte Single Lover – Namensgeber für das Album – ist dafür das beste Beispiel. Eine wirklich süße Ballade im 6/8-Takt, in der Taylor all ihre Stärken rausholt. Wunderschönes und akkurates Songwriting, persönlich, aber gleichzeitig für jeden Hörer individuell interpretierbar. Durch seine zeitlose, klassische Ader hat er höchstes Potenzial, DER kommende Hochzeitssong zu werden. Erinnert zugegebenermaßen ein wenig an Ed-Sheeran-Balladen wie „Perfect“, nur, wie ich finde, wirkt er dabei viel origineller und frischer. Meiner Meinung nach definitiv der stärkste Song auf der gesamten Platte.
Und wenn ich schon dabei bin, meine Favoriten herauszupicken, kann ich ja auch direkt weitermachen. Obwohl das Album alles in allem doch sehr energiegeladen und Up-Tempo ist, haben mich letztendlich die eher langsamen und unscheinbareren Songs überzeugt.
Allen voran Soon You’ll Get Better – der emotionalste Track, den Taylor je geschrieben hat. Darin verarbeitet sie den Kampf ihrer Mutter Andrea gegen den Krebs. Untermalt wird der an ihre Country-Wurzeln erinnernde Song von Backup-Gesang der Dixie Chicks. Ein traurig-schöner Titel, welcher mir nicht nur Gänsehaut, sondern auch leichte Tränen in den Augen verliehen hat. Neben den äußerst präzisen Textzeilen trafen mich auch die hervorragend gesungenen Background-Harmonien mitten ins Herz. Ein Geschenk für alle Fans der alten Country-Taylor.
Mit 2 Minuten und 30 Sekunden ist It’s Nice To Have a Friend zwar der kürzeste Titel auf dem Album und doch irgendwie besonders. Relativ unscheinbar und für einige wahrscheinlich „unvollständig“ wirkend, transportiert sich für mich durch die Steel Drums und die Trompete ein komplett neuer Sound, den ich so bei Taylor Swift noch nie gehört habe. Und es tut zur Abwechslung echt gut, einen nicht vollkommen ausarrangierten, tighten Song zu hören, sondern nur eine Art Fetzen, welcher einfach eine besondere Stimmung erzeugt.
Gelungen ist ihr auch Song 13 auf dem Album, False God. Eine Elektropop-Nummer mit mäßigem Herzschlag-Beat, welche von einem melodischen Saxophon untermalt wird. Ebenfalls eine neue Kombination an Sounds und überraschend für Taylor-Fans.
Der Rest des Albums ist erwartungsgemäß sehr poppig ausgerichtet und orientiert sich – ähnlich wie bei ihrem fünften Album „1989“ – an Synth-Pop der Achtziger Jahre. Durch mal an R’n’B, mal an Americana angelehnte Einflüsse bekommt man dieses Mal aber doch irgendwie etwas anderes geboten. Vor allem die erste Hälfte von „Lover“ ist ziemlich gut durchdacht. Cruel Sommer zum Beispiel, welcher von Annie Clark, a.k.a St. Vincent, mitgeschrieben wurde, ist durch seine catchy Hook ein ziemlich gelungener Pop-Song. Nennenswert ist auch noch The Man, in dem Taylor die These aufstellt, dass ihr Abbild in der Öffentlichkeit wahrscheinlich anders aussehen würde, wenn sie keine Frau, sondern ein Mann wäre. Inspiriert von der #MeToo-Bewegung und ihrem gewonnen Prozess wegen sexueller Belästigung gegen einen Radio-DJ, enthält The Man sorgfältig durchdachte Lyrics gepaart mit einer überaus starken Message. Und doch ist „The Man“ für mich einer der schwächereren Songs auf „Lover“, denn das musikalische Konzept des Songs wird, wie ich finde, dem Songtext leider überhaupt nicht gerecht, ist letzten Endes zu einfallslos und dann doch zu sehr am Mainstream orientiert.
Mein Fazit: Obwohl ich vor dem Release ziemlich skeptisch war und nicht erwartet habe, dass mir überhaupt ein Song auf „Lover“ gefallen wird, blieb ich doch positiv überrascht zurück. Klar, es ist ziemlich poppig und ich persönlich bin und bleibe weiterhin ein großer Fan von der alten Country-Taylor (und hoffe nach wie vor auf ein Comeback-Album, in dem sie zurück zu ihren Wurzeln findet – aber das nur nebenbei). Und doch ist „Lover“ ein durchaus gelungenes Pop-Album. Es ist in sich im Gleichgewicht und harmonisch, transportiert eine friedliche, fröhliche Stimmung und kein Chaos wie bei „reputation“. Es ist auf seine Gesamtlänge gesehen kein frontales Power-Pop-Album, sondern eins mit verschiedenen Facetten und neuen Taylor-Sounds. Die beiden Vorab-Singles bleiben zwei der schwächeren Songs des Albums und generell muss ich gestehen, dass drei oder vier Songs weniger der Platte womöglich besser getan hätten – vor allem das letzte Drittel enthält kaum nennenswerte Songs.
Es ist definitiv nicht ihr stärkstes Album – auch wenn die Verkaufs- und Streamingzahlen wahrscheinlich das Gegenteil behaupten werden. Dafür ist alles doch zu homogen und überraschungslos geblieben. Große Vielfalt wurde auf „Lover“ leider nicht geboten. Verstecken braucht sich das Album aber dennoch nicht!
Text: Zara Akopyan