Wir schreiben den 15. Februar, der erste warme Tag in 2019. Die Vögel zwitschern und die Temperatur klettert in den zweistelligen Bereich. Es erwachen die ersten Frühlingsgefühle. Gute Laune, eine top Voraussetzung für einen Konzertbesuch. Wie passend, gibt es doch heute AnnenMayKantereit im Forum in Bielefeld zu sehen. Das Konzert ist ausverkauft. Kein Wunder, ihr zweites Album Schlagschatten [Hier unsere Rezension] überzeugt nicht nur eingefleischte Fans, sondern auch Neulinge in der Szene.
Das Publikum an diesem Abend ist gut durchmischt, von Studierenden bis zu Malocher. Die Musik ist nicht für eine spezifische Zielgruppe gedacht, sondern für alle, die damit etwas verbinden und sie einfach fühlen.
Den Support macht Ilgen-Nur, welche mit ihrer Band die Jungs auch noch für drei weitere Abende begleiten darf. Ein Tag zuvor spielte sie bereits als Voract für die Leoniden in Berlin. Bei ihr läuft es gerade einfach. Aber wen wundert das? Mit ihrer Single „Cool“ spricht sie eine ganze Anfang/Mitte-Zwanziger-Generation an und verfasst deren Hymne: „I’m just trying to be cool/But I feel like a fool“. Man will dazu gehören, einfach cool sein, doch so leicht ist das gar nicht.
Ihre Musik steht für feinsten Indie/Dream-Pop mit Lo-Fi Einflüssen á la Courtney Barnett oder aber auch Kate Nash. Nicht nur ihre Musik, sondern auch ihre Bühnenpräsenz ist einfach badass. Sie mag keine großen Ansagen und das ist auch voll in Ordnung. Statt viel Gequatsche gibt es mehr Musik und das finden wir total okay.
Wer ihre Instagram Storys fleißig verfolgt, sollte es bereits wissen, ihr erstes Album ist in Planung. Dies wird jetzt auch nochmal offiziell bestätigt. Ja, im Sommer ist es soweit. Als Einstimmung darauf gibt sie einen ihrer neuen Songs zum Besten. Lust auf mehr haben wir jetzt auf jeden Fall und sind gespannt, was der Sommer 2019 bringt.
Übrigens – Ilgen-Nur wird in diesem Jahr auch auf dem Wintergrün Festival spielen.
Der Umbau ist im vollen Gange und das Forum ist inzwischen bis auf den letzten Zentimeter vollgepackt. Es wird deutlich wärmer. Während man sich versucht ein bisschen Luft zuzufächeln, läuft im Hintergrund eine Playlist mit The Strokes und Bilderbuch. Die perfekte Einstimmung auf das, was gleich kommen soll.
Dann ist es soweit das Licht geht aus, die Jungs betreten die Bühne, die ersten Töne erklingen und eine raue Stimme singt: „Die Vögel scheißen vom Himmel.“ – Den Beginn der Show macht der Vorbote des aktuellen Albums. „Marie“ ließ es bereits vermuten, wieder einmal schafft es May all den Herzschmerz und die Melancholie der Welt in Texte zu verpacken. Der Zuhörer entgegnet diesem mit zustimmenden Mitgrölen, Schmunzeln oder aber auch Weinen. So auch an diesem Abend. Konzerte Annenmaykantereits sind eine emotionale Achterbahnfahrt. Es ist quasi wie ein Walzer zwischen scherzhaften Ansagen und nachdenklichen Momenten, die zeigen, was May und seine Kumpanen im Leben beschäftigt.
Es ist alles einfach und schlicht gehalten, ein paar Lampen, welche die Stimmung entsprechend unterstreichen, sind das Einzige, was sie benötigen. Die Jungs brauchen keine großen Showeinlagen, sie überzeugen durch Charakter, Authentizität und Spaß an der Sache.
Das Publikum wird auf eine 1 ½ stündige Reise mitgenommen. Vorbei an Klassikern wie „Barfuß am Klavier“ und „Oft gefragt“ geht es hin zu neuen, gesellschaftskritischen Songs, wie „Weiße Wand“ oder auch Songs fürs Herz, so wie „Marie“.
Zwischen Tanzeinlagen und Gesängen aus dem Publikum gibt es dann einen kleinen Noteinsatz. Wie eingangs schon erwähnt, es ist einfach verdammt warm, was dazu führt, dass mehrere Leute umklappen. May nimmt sich die Zeit, um das Publikum aufzuklären: „Alkohol ist geil, aber Wasser ist auch gut!“. Recht hat er. Daraufhin wird erstmal eine Runde Wasser spendiert und anschließend weiter getanzt.
Als Zugabe haben sich die Jungs mal etwas anderes überlegt, so spielen sie diese nicht von der Stage sondern, vom FOH aus – „Hallo, ihr könnt euch dann jetzt mal umdrehen.“. Oben drauf gibt’s dann noch einen neuen Song: „Ich will nicht traurig sein und ich will nicht drüber reden […] ich will ein Meer zwischen mir und meiner Vergangenheit.“
Abschließend lässt sich sagen, es war ein verdammt schönes und ehrliches Konzert.
PS: Shoutout an den super Ton-Mann!
Text: Liv Korth
Fotos: Fiona Thiele