In letzter Zeit kommt geradezu eine Welle aus guter Rockmusik von unseren Nachbarn aus den Niederlanden auf uns zu. Eine dieser Bands kommt dabei aus Nijmegen, direkt an der deutschen Grenze: De Staat. Vor knappen zwei Wochen haben die Jungs ihr neues Album Bubble Gum veröffentlicht und Moritz erzählt euch, warum ihr reinhören solltet!
Zugegeben: De Staat war mir nur noch vage ein Begriff, in dessen Zusammenhang ich an den Soundtrack von FIFA 14 denken musste, auf dem die niederländische Band vertreten war. Somit konnte ich aber vollkommen unvoreingenommen das am 19. Januar erschienene Album Bubble Gum hören. Das Wort, das mir nach dem ersten Hören durch den Kopf ging war: BRACHIAL! Die elf Songs des Albums nahmen mich mit auf eine kuriose und atemberaubende Soundreise begleitet von Instrumenten, die vor lauter Effekten oft gar nicht mehr genau als diese zu erkennen sind. Treibende, tanzbare Beats, ausgetüftelte Arrangements und unsagbar catchige Phrasen in den Stimmen und Instrumenten machen dieses Album zu einer dringenden Empfehlung. Die Besonderheit: Kein Song ist erwartbar, nichts ähnelt sich, alles überrascht bis kurz vor den Punkt, an dem es unangenehm wird. Somit ist Bubble Gum ein wirklich sehr gutes Beispiel, wie man 2019 an Musik herangehen kann.
Der erste Song KITTY KITTY macht die Laufrichtung direkt unmissverständlich klar: STEH SOFORT AUF UND BEWEG DICH! Zwar fühlte ich mich angesprochen, aber gerichtet ist der Song offenbar an den „Orange Entertainer“, der aktuell im Weißen Haus die USA „regiert“. Nach den groovigen Strophen, die ich irgendwie mit einer verschwitzten Clubnacht assoziiere, folgt ein fast schon epischer Justice-esker Break mit Drumfills en masse. Wow… die ersten 6 Minuten sind auch schon um… Muss man sich auch erstmal trauen, ein Album direkt mit einem Sechsminüter zu starten. Es folgt ein weiteres clubbiges Fake It Till You Make It. Mit abgehackten Strophenstrukturen und einer Ohrwurmmelodie im Chorus, die Ihresgleichen sucht, wechselt der Song spontan mal in einen Dreivierteltakt und mutet zum Ende hin sogar leicht orientalisch-sphärisch an. Gefolgt vom nach vorne schreitenden Song Mona Lisa, den Kasabian nicht besser hätten schreiben können und in dem auch endlich (abgefahren fuzzy klingende) Gitarren zu hören sind, ist dann auch schon die erste Viertelstunde um. What the Fuck… Habe ich nicht gerade erst angefangen zu hören?
„I’m Out of your Mind“ nimmt uns mit ins Offbeat-Land und erinnert manchmal ganz entfernt musikalisch und stimmlich an einen oder alle Prodigy-Songs. Zum darauffolgenden Song „Pikachu“ sage ich an dieser Stelle einfach mal nichts, bis auf, dass ich beim Autofahren kurz auf dem Seitenstreifen halten musste, um zu lachen. Holländer…
Der Synthesizer-Sound am Anfang von „Phoenix“ läutet dann mal eben das jüngste Gericht ein, bevor die Strophen, wie eben jener Phönix aus dem Nichts einen sexy-soulig-sphärischen Song mit verhalltem und epischen Finale entstehen lassen. „Me Time“ läutet dann als Techno-Industrial-Killer mit „Beastie Boys-Steh auf und Spring jetzt“- Attitüde die letzten vier Songs ein. Ich möchte hier einmal lobend die genial laid-back gespielten Snaredrum-Achtel hervorheben. Mikrotiming at its best, verdammt! Das Gesangsduett geht bei „Tie Me Down“ schon fast unter, dabei ist der Gesangspart der Duettpartnerin so gut und gibt dem Song – neben dem Gefühl, dass man eine 2019er Version von Lenny Kravitz‘ Fly Away hört – einen Star-Trek-Touch. Alles in allem lässt mich dieses Album auch jetzt, wo ich es zum wasweißichwievielten Mal höre, mit einem offenen Mund zurück. Gefangen zwischen dem Willen, die Band einmal gesammelt zum Psychologen zu schicken und absoluter künstlerischer Bewunderung, kann ich dieses Album wirklich allen ans Herz legen, die „normaler“ Bands überdrüssig sind.
Moritz Herrmann